Mittwochs beim Freitag – Presseschau (1.12): Sarrazin in Kreuzberg

20.07.2011 – In der vergangenen Woche hat sich Thilo Sarrazin, gemeinsam mit einem Kamerateam des ZDF-Magazins „Aspekte“ nach Berlin Kreuzberg begeben, um sich dort im Gespräch mit Migranten filmen zu lassen. Anders als im Konzept der Kurzreportage geplant, eskalierte die Situation allerdings und Sarrazin brach seinen Besuch vorzeitig ab. Die Medien berichtet sehr unterschiedlich über die Ereignisse.

Diese Presseschau gibt einen Überblick über die Berichterstattung bei n-tv, Bild.de, RP Online, FAZ.NET und den Deutsch-Türkischen Nachrichten.

Jacob Jung: Kleine Presseschau (1.12) beim Freitag

Thema: Sarrazin zu Besuch bei Muslimen in Kreuzberg

In der vergangenen Woche besuchte Thilo Sarrazin in Begleitung eines Kamerateams den Berliner Stadtteil Kreuzberg, um dort mit Muslimen ins Gespräch zu kommen, die er unter anderem in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ scharf kritisiert und beleidigt hatte. Gedreht werden sollte hierbei eine Reportage für das ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“. Begleitet wurde Sarrazin von der Dokumentaristin Güner Balci.

Thilo Sarrazin muss seinen Besuch wegen lautstarker Proteste vorzeitig abbrechen. Nach eigenen Angaben wird er wüst beschimpft und sogar aus einem türkischen Lokal geworfen. In der Öffentlichkeit und in den Medien ist daraufhin ein heftiger Streit entbrannt.

Während die Sarrazin-Anhänger es als unangemessen empfinden, dass der umstrittene Buchautor in Kreuzberg nicht freundlicher empfangen wurde, sehen seine Gegner in dem Besuch eine Provokation und können die Ablehnung der dort lebenden Menschen gut verstehen.

Andere Stimmen werfen dem ZDF vor, mit dem Filmprojekt gezielt eine Eskalation herbeigeführt zu haben, um so die Einschaltquote zu erhöhen.

n-tv: „Berliner beschimpfen Sarrazin“

n-tv berichtet in einem Artikel vom 18. Juli darüber, dass Thilo Sarrazin in Berlin einen türkischen Markt, ein Restaurant und ein alevitisches Gemeindezentrum besuchen wollte und bereits auf dem Markt, der ersten Station seiner Tour, als „Rassist“ und „Nazi“ beschimpft worden sei.

Wörtlich heißt es in dem Beitrag:

Auch auf dem Weg zum türkischen Restaurant „Hasir“ wurde Sarrazin demnach angeschrien. In dem Lokal selbst traf er Manager Hikmet Kundakci. Der beschreibt die Situation auf Nachfrage von n-tv.de als relativ harmlos. „Wir haben uns 15, 20 Minuten unterhalten, dann ist Herr Sarrazin aufgestanden, hat mir die Hand gegeben und ist gegangen“, so Kundakci.

[Quelle: n-tv]

Bild.de: „Das ist Psychoterror“

Bei Bild.de wird das Verhalten der Anwohner gegenüber Sarrazin in einem Beitrag vom 18. Juli als „Psychoterror“ bezeichnet. Geschrieben wurde der Artikel von Berlins Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Dieser beschränkt sich allerdings darauf, Sarrazin zu zitieren. Dieser schildert seine Wahrnehmung der Situation und gibt die geäußerten Beschimpfungen im Wortlaut wieder.

Bei Bild.de heißt es:

Sarrazin: „Wir parkten etwa 100 Meter vom Restaurant entfernt. Beim Aussteigen sah mich ein junges, gut gekleidetes Paar offenbar türkischer Abstammung.“ Der Mann habe „Sarrazin raus aus Kreuzberg“ gebrüllt, die Frau „Sie sind ein Rassist“. Sarrazin: „Das junge Paar verfolgte uns, der Mann dabei brüllend ‚Da kommt Sarrazin, der Rassist‘.

Im Restaurant sprach Sarrazin kurz mit Manager Hikmet Kundakci: „Wir begannen ein höfliches Gespräch.“ Draußen habe sich derweil ein Menschenauflauf gebildet, sodass der Restaurant- Manager sich immer unwohler gefühlt habe. Schließlich fragte Journalistin Balci, ob Sarrazin weiter willkommen sei. Antwort: „Eigentlich sind Türken sehr gastfreundlich, aber ich glaube, ich kann Sie nicht bedienen.“

[Quelle: Bild.de]

RP Online: „Den Eklat bewusst provoziert“

Bei RP Online wird in einem Beitrag vom 18. Juli vor allem auf die Rolle des ZDF verwiesen. Hierzu wird der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, zitiert, der dem Format Aspekte vorwirft, es offenbar nötig zu haben, einen solchen Eklat zu inszenieren. Zimmermann sieht die Seriosität des Magazins beschädigt, selbst wenn die gewählte Vorgehensweise vermutlich zu höheren Einschaltquoten führt.

Bei RP Online heißt es unter anderem:

„Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) bezeichnete den Kreuzberg-Besuch Sarrazins als „Provokation“. Sarrazin gelte nicht nur bei Muslimen, sondern auch bei Deutschen als Populist, sagte TBB-Sprecher Hilmi Kaya Turan. „Wenn so einer samt Fernsehteam jetzt plötzlich nach Kreuzberg kommt, um angeblich einen kulturellen Dialog zu führen, dann will er wahrscheinlich bald ein neues Buch veröffentlichen“, fügte er hinzu.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele zeigte Verständnis für die Wut der Sarrazin-Gegner und deren Unwillen, mit dem umstrittenen Autor zu diskutieren. „Herr Sarrazin hat auch mir gegenüber schon eine Diskussion seiner diskriminierenden und beleidigenden Thesen verweigert und zeigt sich völlig uneinsichtig“, sagte Ströbele. Gleichwohl dürften persönliche Beleidigungen aber kein Mittel der Debatte sein.“

[Quelle: RP Online]

FAZ.NET: „Eklat um Sarrazin-Film“

Bei der FAZ schlägt man sich deutlich auf die Seite von Sarrazin und dem Kamerateam. Bereits im Aufmacher des Artikels vom 19. Juli ist die Rede davon, dass der „Pöbel“ Sarrazins Spaziergang durch Kreuzberg und Neukölln vorzeitig beendet hätte. Darüber hinaus wird Olaf Zimmermann, Chef des Deutschen Kulturrats, in dem Beitrag scharf angegriffen. Zimmermann hatte dem Magazin Aspekte vorgeworfen, den Eklat bewusst inszeniert zu haben und sieht die Seriosität des Formats beschädigt.

Wörtlich heißt es hierzu:

„Am Montag nun setzte der Deutsche Kulturrat dieser denunziatorischen Unkultur die Krone auf. Sein Geschäftsführer Olaf Zimmermann, dessen Pressemitteilungen Redaktionen jeden Tag nerven, unterstellte dem ZDF, es habe den Eklat, der Einschaltquoten wegen, inszeniert. Er faselt von Seriosität, die Schaden genommen habe, hält es aber nicht für nötig, mit den Autoren des Films zu reden, geschweige denn Balcis Bericht über die Säuberung des Diskurswesens zu lesen. Dass er die Presse- und Meinungsfreiheit mit Füßen tritt, ficht den Eiferer Zimmermann nicht an. Was kommt als Nächstes – Schwarze Listen und Zensur?“

[Quelle: FAZ.NET]

Deutsch-Türkische Nachrichten: „Sarrazin beim Türken: Was wirklich geschah!“

Die Deutsch-Türkischen Nachrichten zeichnen in einem Artikel vom 19. Juli ein eigenes Bild von den Ereignissen. Hierbei wird deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass Sarrazin nicht aus dem Restaurant geworfen wurde. Ein Abbruch der Dreharbeiten war vielmehr erforderlich, weil die Situation drohte weiter zu eskalieren.

Hierzu heißt es in dem Beitrag:

Sarrazin zieht mit einem Kamerateam durch Kreuzberg. Die Szene ähnelt dem routinemäßigen Besuchs-Rundgang eines Lokalpolitikers. Daher werden die Passanten auf die Prozession aufmerksam. Bereits auf dem Weg zum Lokal wird Sarrazin von einigen Menschen erkannt und als “Rassist” beschimpft. Im “Hasir” begrüßte Restaurant-Geschäftsführer Hikmet Kundakci den Gast mit bekannter türkischer Höflichkeit. Er ist ein wenig überrascht von dem prominenten Besuch, denn er hat ihn nicht eingeladen.

Die Ansammlung der wütend protestierenden Anwohner vor dem Restaurant nimmt  jedoch kein Ende. “Mindestens 30 Leute” drängen in das Lokal, so Kundakci. Die Situation schaukelt sich hoch. Es kommt zu Wortwechseln und Beschimpfungen. Anwohner rufen “Sarrazin raus aus Kreuzberg!”. Sarrazin hält dagegen. Einem der Aufgebrachten ruft er entgegen, er beweise durch sein Verhalten Sarrazins Vorwürfe. Einen anderen beschimpft er als “linken Faschisten”. Einem Dritten, der sich als Ausländer zu erkennen gibt, belehrt er – er solle sich benehmen, er sei nur Gast.

Dieses Video von Sarrazins Berlinbesuch stellen die Deutsch-Türkischen Nachrichten innerhalb des Beitrags vor:

[Quelle: Deutsch-Türkische Nachrichten]

3 Kommentare

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3 Antworten zu “Mittwochs beim Freitag – Presseschau (1.12): Sarrazin in Kreuzberg

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  2. silbermond

    Was hat Herr Sarazzin denn erwartet, etwa Beifall für seinen mutigen Auftritt ? Was sollte das ganze, wozu soll das gut sein ? Wenn er wirklich Kreuzberg kennt und seine Menschen , hätte er sich diesen Auftritt sparen können. Ich finde Kreuzberg hat das nicht verdient, sondern ehrliche Politiker, die mittenmang leben und wissen, wo wirklich bei den Menschen der Schuh drückt. Übrigens, das Lokal Hasir, ist wirklich zu empfehlen, leckere Sachen gibts dort.

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