E-Mail-Überwachung: Der Geheimdienst liest mit

26.02.2012 – Deutsche Regierungskreise haben mittlerweile einen Bericht der „BILD-Zeitung“ bestätigt, wonach deutsche Geheimdienste im Jahr 2010 rund 37 Millionen E-Mails überwacht haben, in denen „verdächtige Begriffe“ vorkamen. Bei insgesamt 40 Milliarden Nachrichten, die in dem Jahr versendet wurden, ist insofern jede tausendste Mail betroffen.

Offenkundig können die Geheimdienste in Deutschland nach wie vor tun und lassen, was sie wollen und unterliegen dabei keiner wirksamen Kontrolle durch Staat und Gesellschaft.

37 Millionen Mails überwacht

Mit den rund 37 Millionen überwachten Mails aus dem Jahr 2010 hat sich die Zahl der beobachteten Nachrichten, im Vergleich zum Vorjahr, mehr als verfünffacht. In nur 213 Fällen konnten die Geheimdienste, hierzu zählen in Deutschland der Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD), tatsächlich verwertbare Hinweise aus den Mails entnehmen. Ob diese Hinweise dabei ermittlungsrelevant waren und tatsächlich zur Aufklärung oder Abwehr terroristischer oder anderer schwerer Straftaten beitrugen, wurde nicht mitgeteilt.

Fachleute aus dem Bundeskanzleramt erklärten den extremen Anstieg der Menge überwachter Mails vor allem damit, dass die Anzahl an Werbe-Mails im betreffenden Zeitraum rapide zugenommen habe. Bei den Geheimdiensten wird die Beobachtung der elektronischen Kommunikation unter dem Stichwort „strategische Fernmeldeaufklärung“ geführt. Sie sei angesichts der wachsenden Bedrohung durch Terrorismus und Menschenhandel und zum Schutz von Einsatzkräften in Krisengebieten erforderlich.

Während Medienberichte vor allem auf die hohe Anzahl überwachter E-Mails abzielen, regt sich kaum Kritik daran, dass elektronische Nachrichten überhaupt ausgespäht und mitgelesen werden. Immerhin handelt es sich hierbei lediglich um eine moderne Variante der klassischen Post. Angesichts des Briefgeheimnisses geht kaum jemand davon aus, dass seine privaten Briefe behördlich gefiltert und ausgewertet werden.

Um nicht jede der insgesamt 40 Milliarden versendeten Mails lesen zu müssen, bedienen sich die Geheimdienste einer Raster- und Filterfunktion. Hier sind bestimmte „verdächtige Begriffe“ hinterlegt. Taucht in einer elektronischen Nachricht eines dieser Schlüsselwörter auf, dann wird sie genauer inspiziert.

„Bombe“ und „Atom“

Bislang sind zwei der Suchwörter in die Öffentlichkeit gedrungen: „Bombe“ und „Atom“. Die Auswahl wirkt dabei so, als entstamme sie dem Brainstorming einer Vorschulklasse. Es gehört schon eine gute Portion geheimdienstlicher Naivität dazu, zu glauben, dass Mails, in denen sich Terroristen zu künftigen Anschlägen verabreden, ausgerechnet diese Begriffe enthalten würden:

Terrorist 1: Du, ich habe mir überlegt, wir sollten mal eine „Bombe“ legen.

Terrorist 2: Au ja. Am besten in der Nähe von irgendwas mit „Atom“.

Wenn die berichtete Beobachtungspraxis nicht so eine ernste Angelegenheit wäre, wollte man angesichts der tölpelhaften Raster-Definition am liebsten in schallendes Gelächter ausbrechen. Ein hohes Maß an unfreiwilliger Komik ergibt sich aus der Überlegung, welche Nachrichten den Fahndern tatsächlich ins Netz gehen:

Michael: Ich schicke Dir mal ein Bild von meiner bisher besten Arsch“Bombe“.

Catering-Service: Hiermit bestätigen wir Ihnen die Bestellung von einer Eis“Bombe“.

Julia: Der Kevin sieht ja wohl voll „Bombe“ aus, seit der die Haare ab hat.

Interessant in diesem Zusammenhang: Die Suchbegriffe, nach denen die Mails gefiltert werden, stammen nach Informationen aus dem Kanzleramt direkt von der G-10-Kommission. Dieses Gremium entscheidet nämlich im wesentlichen, ob Überwachungsmaßnahmen zulässig sind.

Nach meinem Rechtsempfinden ist es eine unzulässige Unverschämtheit und ein eklatanter Eingriff in die Privatsphäre, wenn Geheimdienste anlasslos Zugriff auf die persönliche Korrespondenz von Bürgern nehmen. Wenn zudem eine kindisch anmutende Auswahl von Suchbegriffen darüber entscheidet, welche Nachrichten von den Mitarbeitern der Geheimdienste gelesen werden und wenn man sich vor Augen führt, dass unglaubliche 37 Millionen Mails ausgespäht werden müssen, um klägliche 213 verwertbare Hinweise zu gewinnen, dann erhält man den Eindruck einer sinnlosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für unausgelastete Schlapphüte.

Vor dem Hintergrund der Aufklärungspannen rund um die Zwickauer Nazi-Terrorzelle stellt sich die Frage, ob die Ermittler der Geheimdienste mit ihrer steuerfinanzierten Zeit nichts besseres anzufangen wissen. Hierüber sollte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, als oberster Verfassungsschützer, einmal nachdenken, bevor er die SED für den gesamtdeutschen Rechtsextremismus verantwortlich macht.

Und vorsicht, wenn Ihr diesen Artikel per Mail, Facebook oder Twitter weiterleitet. Ihr wisst ja jetzt, wer mitliest, wenn „Bombe“ oder „Atom“ im Text auftauchen…

49 Kommentare

Eingeordnet unter Innenpolitik, Politik, Sicherheitspolitik

49 Antworten zu “E-Mail-Überwachung: Der Geheimdienst liest mit

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  3. Marvin

    Die sind schlimmer als die Stasi der DDR je hätte sein können. Und der deuschte Michel bleibt weiter im Verdummungstiefschlaf, obwohl es mehr an Infoquellen gibt als je zuvor. Gute Nacht, Demokratie!

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