Cyber-Minister Friedrich: Rettet den Pizzaservice

15.3.2012 – Es ist mal wieder so weit: Hans-Peter Friedrich warnt vor einer besorgniserregenden Zunahme von Erpressung und Sabotage im Netz. In einem Interview mit dem „Stern“ erläutert der Minister, welche Formen von Cyber-Angriffen er unter anderem im Visier hat. „Entweder Du zahlst jetzt ein paar tausend Euro, oder du lieferst eine Woche keine Pizza aus“: So beschreibt Friedrich einen klassischen Angriff gegen die deutsche Wirtschaft im Netz.

Um weitere Argumente für eine scharfe Regulierung im Internet ist der Minister nicht verlegen. Virtuelle Dschihadisten, anonyme Briefeschreiber und depressive Kinder: Wer dem nicht Einhalt gebietet, der macht das Netz unbrauchbar.

Cyborg Friedrich läutet die Alarmglocken

Hans-Peter Friedrich will die deutsche Wirtschaft für Bedrohungen aus dem Netz sensibilisieren. Zwar räumt er ein, dass die „Gefahr eines Cyber-Kriegs bislang nur theoretischer Natur“ ist: Dennoch hält er es angesichts täglicher „Cyber-Angriffe“ für richtig, „die Alarmglocken zu läuten“.

Dem Innenminister fällt im Stern-Gespräch auch gleich ein passendes Beispiel für die Bedrohung der deutschen Wirtschaft durch das Internet ein:

„Das geht bis hin zum Pizzaservice, dem mit Angriffen gedroht wird, nach dem Motto: Entweder du zahlst jetzt ein paar tausend Euro, oder du lieferst eine Woche keine Pizza aus.“

Klar, wenn die Internet-Seite von „Toni & Mimmo“ im oberfränkischen Himmelkron Opfer einer heimtückischen DDoS-Attacke wird, dann droht die deutsche Wirtschaft in die Knie zu gehen. Und natürlich ist jeder Pizzaservice sofort bereit, ein paar tausend Euro locker zu machen, um die Gefahr abzuwenden, künftig nur noch telefonisch erreichbar zu sein.

Nationales Cyber-Abwehrzentrum“, „Cyber-Angriff“, „Cyber-Krieg“ oder „Cyber-Terrorismus“: Das altgriechische Präfix ist mittlerweile zum dauerhaften Verbalbegleiter des Ministers avanciert, obwohl es eigentlich aus der Seefahrt stammt und nicht mehr bedeutet als „Steuerung“. In Friedrichs Wortgebrauch steht es für alles, was aus dem Netz stammt und böse ist.

Entsprechend weiß der Innenminister, dessen private IT-Nutzung sich auf einen Tablet PC beschränkt, auf dem er seinen E-Mail-Account führt, gegenüber dem „Stern“ von „bösen Menschen“ im Netz zu berichten, „die es verdient haben, dass man sich mit ihnen beschäftigt“.

Dreimal darf man raten, wen Friedrich vor allem im Blick hat, wenn es um die Feinde aus der virtuellen Welt geht. Natürlich: Es sind, wie könnte es anders sein, die Islamisten.

Dschihad-Kämpfer Netz

Hans-Peter Friedrich ist in Bezug auf islamistische Cyber-Attacken hin- und hergerissen zwischen Siegerpose und Angstreflex. Einerseits weiß er, dass es nicht so einfach ist, einen solchen Angriff durchzuführen, dass seine Experten den Kriminellen immer eine Nasenlänge voraus sind und dass „derzeit niemand in Pakistan sitzt, der in der Lage wäre, in Deutschland größeren Schaden anzurichten“.

Andererseits ist aber die Bedrohungslage unverändert hoch. Es muss weiterhin „jederzeit mit einem Anschlag in Deutschland“ gerechnet werden und die „Internet-Kommunikation erleichtert für Terroristen über ganze Kontinente hinweg die Planung von terroristischen Angriffen“. Außerdem macht es Friedrich „große Sorgen“, dass er im Netz die „gezielte Gewinnung von Dschihad-Kämpfern“ beobachten kann.

Dummes Zeug? Unqualifiziertes Geschwätz? Nebulöse Vermutungen ohne faktischen Hintergrund? Egal. Die Hauptsache bei solchen Statements des Innenministers ist doch, den Islam in einem Atemzug mit Terrorismus und Kriminalität zu nennen und in der Bevölkerung diffuse Ängste vor dem bedrohlichen Cyber-Space zu schüren.

Pseudonym „Ringelblume“

Am Ende des Gespräches mit den Stern-Redakteuren holt der Cyber-Minister dann noch einmal richtig aus. Jetzt geht es darum, wie man das geltende Recht aus der analogen Welt ins Netz übertragen kann:

„Wenn ich einen Leserbrief schreibe, wird der niemals unter dem Pseudonym Ringelblume abgedruckt, sondern nur mit Name und Wohnort. Wenn die Dinge alle so in der analogen Welt gelten, warum dann nicht auch im Netz?“

Es geht also um die Anonymität im Netz, der Hans-Peter Friedrich bereits mehrmals an den Kragen wollte. Hier wartet der Minister mit einem wirklich überzeugenden Argument für Situationen auf, in denen man im Internet unbedingt darauf bestehen muss, dass unter dem Klarnamen agiert wird:

„Es gibt aber auch Sachverhalte, da ist es höchst relevant, etwa wenn ich bei meiner Bank Geld abhebe.“

Ehrlich gesagt fände ich es prima, wenn ich bei einer Bank anonym Geld abheben könnte. Bisher habe ich von solchen Finanztransaktionen allerdings nur in Verbindung mit einer Maske und einer Waffe gehört. Außerdem sind sie meist in der „analogen Welt“ angesiedelt und konnten sich im Netz bislang nicht durchsetzen.

Ein weiterer Vorschlag des Ministers in Sachen Analog-Digital-Homologie? Gerne:

„Es käme doch niemand auf die Idee zu sagen, die Vorschrift, dass ich nicht alles im Kaufhaus mitnehmen kann, ohne zu bezahlen, ist eine Einschränkung meiner Freiheit.“

Was Hans-Peter Friedrich mit seinem anschaulichen Beispiel sagen will: Wir brauchen harte Regeln für das Urheberrecht im Internet. Der Minister plausibilisiert seinen Standpunkt anhand eines „jungen Pianisten“, der von „seinem Klavierspiel leben können“ will.

Zusammengefasst: Das Netz muss zum Schutz von „Pizzaservices“ und „jungen Pianisten“ gegen den Cyber-Dschihad reguliert werden und dazu benötigen Ermittler und Behörden erweiterte Befugnisse. Verdeckte Ermittlungen im Netz, Klarnamenzwang bei Kommentaren und in Blogs, mithören und aufzeichnen, „was da so geskypt wird“ und dazu ein paar Screenshots von fremden Rechnern, „weil ich die Sekunde, wo der Absender auf Enter drückt, nicht genau treffen kann“.

Und wenn nicht? Dann werden „Kinder über Cyber-Mobbing“ depressiv und kaputtgemacht“ und das „Netz wird unbrauchbar“.

Pause. Lachen. Applaus.

 

46 Kommentare

Eingeordnet unter Innenpolitik, Politik, Sicherheitspolitik

46 Antworten zu “Cyber-Minister Friedrich: Rettet den Pizzaservice

  1. meuma

    Mich würde ja mal interessieren, ob Friedrich mit seinen Ansichten ein typischer Vertreter des Wahlkreises Hof in Oberfranken ist, oder ob die Leute, die ihn gewählt haben, langsam auch verzweifeln. Oberfranken ist doch nicht Entenhausen, da gibts doch auch Universitäten.

    • Ratking-Agentur

      „Oberfranken ist doch nicht Entenhausen, da gibts doch auch Universitäten“ – zum Beispiel die Universität in Bayreuth, die letztes Jahr noch in den Medien war… was war da noch gleich…?! Naja, war bestimmt was tolles.
      Außerdem gehört Himmelkron nicht zum Wahlkreis Hof, sondern zu Kulmbach.

    • Bernhard Paul

      Friedrich wird hier als Superdepp hingestellt. Das stört mich und es ist auch nicht satirisch.
      Die politischen und gesellschaftlichen Positionen von Minister Friedrich sind hinreichend bekannt und als sehr rechtskonservativ einzustufen.
      Aber bitte nicht in diesem Ton!

      • jakebaby

        Der Beitrag ist nicht mal als Satire getagged.
        Und der Ton auf diesen Unsinn des ‚Superdepp ist doch eher dezent zurueckhaltend.
        ‚Hinstellen braucht man ihn nun wirklich nicht, .. selbst ist der Friedrich!

      • Michael Morawietz

        @Bernhard Paul
        Hallo Herr Paul,
        es tut mir leid, dass Sie ein Problem mit der satirischen Behandlung Herrn Friedrichs haben. Eine rationale Auseinandersetzung mit ihm führt jedoch lediglich zu einer Perforierung wertvoller Hirnsubstanz. Dies möchte ich mit dem folgenden Beispiel illustrieren:

        Herr Friedrich verteidigt die Vorratsdatenspeicherung mit dem Argument: „[…] Das Max-Planck-Institut habe selbst darauf hingewiesen, nur eine „Momentaufnahme“ mit „unsicherer statistischer Datengrundlage“ vorgelegt zu haben. Dies stelle die ganze Studie „ein bisschen doch infrage“ [ … ]“.

        Nachzulesen unter : http://www.focus.de/politik/deutschland/vorratsdatenspeicherung-friedrich-stellt-studie-infrage_aid_707678.html

        Vergleichen Sie dazu einmal Herrn Friedrichs Ausschlachtung der „Studie über die Lebenssituation junger Muslime “ inklusive der Art und Weise, wie er dabei vorgegangen ist ( siehe entsprechenden Artikel in diesem Blog ).

        Herr Friedrich ist eine Witzfigur und ich hoffe, dass er möglichst bald zurücktritt oder abgewählt wird. Er baut auf die Blödheit der Leute, das schreit doch förmlich nach Satire. Sehen Sie denn tatsächlich noch hinreichend Substanz für eine rationale Beschäftigung mit diesem Freak?

        eine rationale Beschäftigung mit diesem Freak?

  2. Granado

    Wieso nennt sich die Stern-Rubrik „investigativ“? War es so schwer, Friedrich zum Interview zu bekommen?

    • Michael Morawietz

      @Granado
      Nun, weil man unter investigativem Journalismus einen Journalismus auf Basis einer vorausgangenen genauesten Recherche versteht. Du musst zugeben, dass das Wort Cyber sehr anspruchsvoll ist und ich selbst habe viel Energie darin investigatiert herauszufinden, dass Cyber eine jugendkulturelle Modeströmung ist.
      Dank dem Stern und dank dem Herrn Friedrich ( Doktor Friedrich bitte ) verstehe ich nunmehr die tiefere Bedeutung des Interviews und des Gesagten. Wusstest Du, dass das Wort „Minister“ Diener bedeutet, oder auf englisch dann halt Butler? Also, Butler Friedrich macht sich Sorgen um unseren Kleidungs-Stil.

      ( entschuldigung, schon wieder satire, aber wenn ich die pfanne von butler friedrich sehe, dann fallen mir mindestens 1000 karrikaturen gleichzeitig ein, die ich gerne mal zeichnen würde ).

  3. Was geht denn da bitte ab? Verstehe ich die virtuelle Welt nicht mehr oder drehen die anderen am Rad?

    • Michael Morawietz

      @Stephan
      Ich habe dazu einmal einen Spruch für Dich parat von einem Urgestein der deutschen Dichtkunst, vielleicht erhellt der ja ein wenig, was da abgeht.

      „Lernt darum den Kunstgriff üben, der euch den Erfolg verbriefe: Müßt das seichte Wasser trüben, daß man glaubt, es habe Tiefe.“
      [Paul Heyse]

  4. Fritz

    @Carl
    Vielen Dank für deinen Kommentar, welcher ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen die Realitäten in unserem Lande beschreibt.
    Damit niemand, so wie du, diese Wahrheiten in Zukunft mehr wagt offen und ehrlich auszusprechen, brauchen wir den Klarnamenzwang und die Vorratsdatenspeicherung. Es ist ja schon so weit gediehen, dass selbst angesehene Puplikationen, wie der SPIEGEL, oder die Zeit und auch die Süddeutsche nicht mehr ohne Angst die Wahrheit schreiben dürfen „Produkt X“ von „Y“ ist Scharlatanerie, Kundenabzocke, Unseriös und Verarschung.
    Wenn sie das täten, hätten sie gleich ein paar duzend Anwälte im Nacken, die sie auf Schadenersatz verklagen…

  5. Ey Leute!
    Klarnamen bitte!!!

  6. Art Vanderley

    Post und Netz gleichsetzen , das ist schon grenzdebil , oder bewußte Masche , um das Netz zu diskreditieren.
    Richtig ist schon , daß das Netz kein rechtsfreier Raum sein darf , und es wird in der Tat viel zu wenig gegen entsprechende Umtriebe unternommen.

    Mobbing etwa muß sowohl real als auch virtuell bekämpft werden , das ist aber vor allem ein Polizei-und ein Ressourcenproblem , es ist bekanntlich ein Irrtum , daß User im Netz nicht ermittelt werden könnten.
    Diese Ressourcen aber ist der Minister nicht bereit , zur Verfügung zu stellen , im Gegenteil , in Deutschland wurden seit dem Jahr 2000 ungefähr 10 000 Polizei-Stellen abgebaut.

    Letztlich läuft es auf eine Übertragung des Freiheitsbegriffs der realen Welt auf die virtuelle hinaus , auch hier ist „anything goes“ das ganze Gegenteil von Freiheit .
    Aber dabei müssen Besonderheiten der digitalen Welt berücksichtigt werden , die Anonymität behindert die Freiheit im Netz nicht , sondern sie gewährleistet sie.

    • Bonsta

      „Das Netz ist kein rechtsfreier Raum“ ist eine unzulässige Beschreibung. Da bist du schon der „Neusprech“-Abteilung auf den Leim gegangen. Skuril wird diese Beschreibung erst, wenn man diese Formulierung auf andere Felder verlegt, wie „Das Telefon ist kein rechtsfreier Raum“. Weder können ein Netz noch ein Telefon ein rechtsfreier Raum sein, denn es sind technische Anlagen – Dinge, deren Benutzer jedoch sehr wohl Straftaten ausüben können. Und diese sitzen selten in rechtsfreien Räumen…

      Allerdings hält Friedrich nicht sonderlich viel von unserem Rechtsraum, sonst würde er und seine Partei nicht immer und immer wieder versuchen, gegen das GG zu verstoßen.

  7. Peter Petereit

    Letztens habe ich eine Pizza gegessen. Eine mit türkischer Koblauchwurst und Käse satt… Ich war dankbar, dass HPF nicht mal virtuell im Lokal war. Es käme ihm vermutlich nicht mal in den Sinn, sich unter Menschen zu begeben, die noch welche sind. Dem „Islamisten“, welcher die Pizza zubereitete, vertraue ich zur Not mein Leben an. Dem Innenminister nicht.

  8. „Entweder Du zahlst jetzt ein paar tausend Euro, oder du lieferst eine Woche keine Pizza aus“:

    Verdient man soviel im Pizzaservice?

  9. catman

    Klasse! Mein Grinsen werde ich jetzt mit anderen Bekannten TEILEN 😀

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  11. Pingback: Aufgelesen und kommentiert 2012-03-18

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