Datenskandal Mobilfunk – Große Anbieter speichern illegal. Presseschau (1.18)

07.09.2011 – Seit Monaten wird in Politik und Öffentlichkeit kontrovers über die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Dabei warnt vor allem das Bundesinnenministerium immer wieder vor den Gefahren, die davon ausgehen, dass die sogenannten Verkehrsdaten derzeit nicht gespeichert würden.

Die Berliner Zeitung berichtet heute über eine vertrauliche Aufstellung der Generalstaatsanwaltschaft München, aus der hervorgeht, dass große Mobilfunk-Anbieter wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus, trotz des eindeutigen Verbots des Bundesverfassungsgerichts, die Verkehrsdaten ihrer Kunden für einen bis sechs Monate speichern.

Diese Presseschau gibt einen Überblick über die Berichterstattung bei der Berliner Zeitung, dem Kölner Stadtanzeiger, der Frankfurter Rundschau, dem Stern und der WELT ONLINE.

Jacob Jung: Presseschau (1.18) beim Freitag

Thema: Illegale Speicherung von Verkehrsdaten durch die großen Mobilfunkanbieter

Am 9. November 2007 beschloss der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Anbieter von Telekommunikations-Diensten mussten seit dem 1. Januar 2008, neben Informationen über den E-Mail-Verkehr und die Internetnutzung, unter anderem alle Rufnummern von anrufenden und angerufenen Anschlüssen, den Beginn und das Ende von Verbindungen und die genutzten Funkzellen und deren geografische Lage für mindestens sechs Monate speichern.

Am 2. März 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig, da es gegen den Artikel 10 des Grundgesetzes verstößt. Seit diesem Tag ist die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland verboten. Bereits gespeicherte Daten mussten von den Telekommunikations-Anbietern umgehend gelöscht werden.

Seitdem bemüht sich die Bundesregierung um eine Neufassung des Gesetzes, die im Einklang mit den Forderungen des Verfassungsgerichts steht. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte im Februar 2011 ein Rechtsgutachten vorgelegt, in dem bezweifelt wird, ob sich die Vorratsdatenspeicherung überhaupt mit der EU-Grundrechte-Charta vereinbaren lässt. In dem Gutachten wird zudem auf den marginalen Nutzen der massenhaften Datenspeicherung hingewiesen.

Während die Union, hier vor allem das Bundesinnenministerium unter Innenminister Hans-Peter Friedrich, eine möglichst umfassende Datenspeicherung fordert, setzt sich die FDP für das sogenannte „Quick-Freeze Verfahren“ ein, bei dem Daten ausschließlich in konkreten Verdachtsfällen schwerer Straftaten längerfristig gespeichert werden.

Die Union lehnte diesen Vorschlag bisher mit der Behauptung ab, bei den Anbietern lägen keine ausreichenden Daten vor, um damit eine Straftat aufklären zu können.

Wie sich jetzt herausstellt, scheinen die großen Mobilfunk-Anbieter wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus allerdings trotz des eindeutigen Verbots durch das Bundesverfassungsgericht Verkehrsdaten aller Kunden für einen Zeitraum von einem bis sechs Monaten zu speichern. Die Erfassung der sensiblen Daten umfasst unter anderem, wer mit wem wie lange telefoniert hat und in welcher Funkzelle sich die Gesprächspartner währenddessen aufgehalten haben.

Berliner Zeitung: Telefon-Anbieter bunkern Daten

In einem Artikel vom 07.09.2011 schreibt die Berliner Zeitung:

Deutsche Mobilfunkanbieter speichern sensible Daten ihrer Kunden deutlich länger und in deutlich höherem Maße als bislang bekannt. Nach Überzeugung von Datenschützern verstoßen sie damit gegen die Vorgaben eines Verfassungsgerichtsurteils – und lassen aktuelle Forderungen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) seltsam hohl klingen.

[Quelle Berliner Zeitung]

Kölner Stadtanzeiger: Wo ist die Lücke?

Der Kölner Stadtanzeiger berichtet am 07.09.2011:

Es gibt die Schutzlücke offenbar gar nicht, die nötigen Daten sind bei den meisten den Mobilfunkanbietern vorhanden. Sie können also, wie es Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorschlägt, bei einem konkreten Verdacht eingefroren und ausgewertet werden. Die Ermittler hatten bislang die Idee des Quick-Freeze zurückgewiesen, weil es bei den Telefonfirmen kaum Daten gebe, die älter als acht Tage sind.

Hans-Peter Friedrich möchte stattdessen alle Mobilfunknutzer unter Generalverdacht stellen und ihre Verkehrsdaten ohne Anlass sechs Monate speichern lassen. Das ist völlig übertrieben. Die Bundesjustizministerin hat nun ein weiteres Argument in der Hand, um sich gegen die Sicherheitsfanatiker durchzusetzen – und sie kann sich verdient machen um Datenschutz und Rechtsstaat.

[Quelle Kölner Stadtanzeiger]

Frankfurter Rundschau: Telefonanbieter im Speicherwahn

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau heißt es:

Der Arbeitskreis (AK) Vorratsdatenspeicherung, ein Bündnis von Datenschützern, das sich seit Jahren gegen die anlasslose Speicherung der Telefondaten wehrt, bezeichnet die Praxis der Telefonanbieter als illegal. „Das bringt Millionen von Menschen in die Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen“, kritisiert Ulrich Breuer vom AK Vorratsdatenspeicherung, „weil sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sind oder mit der falschen Person telefoniert haben.“

[Quelle Frankfurter Rundschau]

stern.de: Mobilfunker speichern offenbar zu viel und zu lange

Bei der stern.de erscheint heute ein Artikel, in dem es unter anderem heißt:

Deutsche Mobilfunkanbieter weisen Vorwürfe von Datenschützern zurück, unrechtmäßig zu viele Kundendaten zu lange zu speichern. „Der Vorwurf ist unsererseits nicht nachvollziehbar“, betonte eine Sprecherin der Deutschen Telekom am Mittwoch auf Anfrage. Die Speicherpraxis sei nach Vorgaben des Bundesdatenschutzbeauftragten gestaltet. Auch von E-Plus hieß es: „Eine auch nur „begrenzte“ Vorratsdatenspeicherung im Sinne der durch das Bundesverfassungsgericht untersagten Praxis findet nicht statt.“

Die Mobilfunk-Anbieter berufen sich darauf, dass die Daten nur zweckgebunden etwa für technische Erfordernisse oder die Abrechnung gespeichert würden – wie dies vom Telekommunikationsgesetz erlaubt sei.

[Quelle stern.de]

WELT ONLINE: Mobilfunkanbieter weisen Vorwürfe zurück

Die Online-Ausgabe der Welt berichtet heute:

Deutsche Mobilfunk-Anbieter weisen Vorwürfe von Datenschützern zurück, unrechtmäßig zu viele Kundendaten zu lange zu speichern. «Der Vorwurf ist unsererseits nicht nachvollziehbar», betonte eine Sprecherin der Deutschen Telekom am Mittwoch auf Anfrage.

Die Speicherpraxis sei nach Vorgaben des Bundesdatenschutzbeauftragten gestaltet. Auch von E-Plus hieß es: «Eine auch nur „begrenzte“ Vorratsdatenspeicherung im Sinne der durch das Bundesverfassungsgericht untersagten Praxis findet nicht statt.»

[Quelle WELT ONLINE]

Petition gegen Vorratsdatenspeicherung bis zum 14. September

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat eine Petition mit dem Titel „Verbot der Vorratsdatenspeicherung“ eingereicht. Bis zum kommenden Mittwoch (14. September 2011) kann die Petition noch mitgezeichnet werden.

Bislang haben den Antrag insgesamt 19.745 Personen unterstützt. Die Petitionsseite des deutschen Bundestages ist über diesen Link erreichbar. Wer bislang noch keine Petition mitgezeichnet hat, muss sich einmalig auf der Plattform registrieren. Neben dem Namen und einer gültigen E-Mailadresse muss hierbei die Anschrift eingetragen werden.

Um möglichst viele Mitzeichner zu erreichen, sollte die Petition über die sozialen Netze, über eigene Blogbeiträge und über Gespräche mit Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern möglichst stark verbreitet werden.

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