Gastartikel von Florian Hauschild: Mythos Demokratie

Seit dem 20. August 2011 wird nun der Alexanderplatz in Berlin „besetzt“. Zumindest war dies die Idee, die wohl auch gefruchtet hätte, wenn eifrige deutsche Beamte nicht alles daran setzen würden, dieses Demokratieexperiment zu unterbinden.

In anderen Ländern überall auf dem Globus machen sie uns längst vor wie Demokratie geht: Auf die Straße gehen, beginnen wieder richtig miteinander zu sprechen und erkennen, dass wir zu mehr fähig sind als zu dem was man uns als „normal“ oder „alternativlos“ verkaufen will.

Ich selbst bin bei #alex11/#aCAMPadabln Beobachter und Beteiligter zugleich. Wie wir alle. Wir alle erleben nun zum ersten Mal was Demokratie eigentlich heißt, wie schwierig es ist in einer offenen Gesellschaft Lösungen zu finden, wie sicher es aber auch ist, dass es dabei Stück für Stück immer ein wenig voran geht.

Eine Woche #alex11 als Weckruf für eine schlafende Gesellschaft

Ich sehe obdachlose Straßenkinder und ehemalige Heimkinder, die 11 Jahre mit Ritalin vollgestopft wurden und die plötzlich fähig sind Verantwortung zu übernehmen und sich ohne jeden Konflikt ins Kollektiv einbringen – einfach weil man sie so sein lässt wie sie sind.

Ich sehe eine bunte Mischung wacher Menschen, die begriffen haben, dass es an erster Linie auch an ihnen selbst liegt, dass wir uns dermaßen in die Scheiße geritten haben in der wir nun stecken.

Und ich sehe eine skandalös agierende „Versammlungsbehörde“, die gewillt scheint, dieses Demokratieexperiment mit den absurdesten Maßnahmen zu unterbinden. Die einzelnen Fälle von Schikane und regelrechter Sabotage sollten jedem bekannt sein und führen nicht selten zu gereizter Stimmung aller Beteiligten.

Ich sehe auch Polizeibeamte, die stumpf ihren Auftrag ausführen, Mitbürger in Uniform, denen offensichtlich längst jeder Funken gesunder Menschenverstand ausgetrieben wurde. Dienstvorschriften werden bei diesen Beamten längst höher bewertet als die fundamentalen Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Die „Versammlungsbehörde“ schreibt den Demonstranten vor, welche Form des politischen  Protestes „ordnungsgemäß“ sei und sogar welche und wieviel Materialien sie für ihren Protest einsetzen dürfen. Polizeibeamte vor Ort sorgen murrend  für die Einhaltung dieser Vorgaben. „Wegen euch kann ich jetzt nicht im Büro sitzen und meinen Papierkram erledigen“, war eine der Aussagen der Beamten. Eine Grundstimmung, die zu ständigen Gängeleien, Sckikanen und schließlich auch zu einem Gewaltausbruch seitens eines Polizisten führte.

Deutschland scheint in der Vorstellung einiger Menschen in diesem Land dermaßen demokratisch zu sein, dass, wer für seine Rechte auf die Straße gehen will, entweder  völlig fehlgeleitet oder gar undemokratisch sein muss. Oder eben auch sowieso unfähig, wenn bei durchgeführtem Protest Kurzzeitbesuchern nicht die Instant-Demokratie zum Mitnehmen präsentiert werden kann. Fertig mit Schleifchen drumherum.

Ein diensthöherer Beamter befand sich so tatsächlich in dem Glauben das wertvolle Versammlungsrecht in Deutschland zu schützen, indem seine Behörde sicherstellt, dass dieses Recht nicht von „irgendwelchen Demonstranten“ „missbraucht“ wird. Ein Einspruch bei Gericht gegen dieses Vorgehen mündete nun in einer Ablehnung mit einer Zahlungsaufforderung von 235 Euro – Kosten für die abgelehnte Forderung des Demonstrationsverantwortlichen selbt über die Art des Protestes entscheiden zu dürfen.Vorgänge über die sich deutsche Konzernmedien regelmäßig echauffieren – sofern sie im Ausland zu beobachten sind.

Man kann es nicht anders sagen: Was seit dem 20. August 2011 zu beobachten ist, ist der endgültige Sargnagel eines gescheiterten Gesellschaftssystems, kurz bevor es entgültig zu Grabe getragen wird. Eine Gesellschaft, die länger gewillt ist in dieser Art von „Ordnung“ zu leben oder sich im Konflikt darüber zu verlieren wer die Schuld an diesem ganzen Mist haben soll, unterschreibt unweigerlich das Urteil für den eigenen Untergang.

Korrupte, selbsternannte Eliten, ein menschenfeindliches Wirtschaftsystem, ein kollabierendes Finanzsystem und eine weitestgehend zerstörte Umwelt sind Fakten aus der Vergangenheit. Aktuell erleben wir, dass in Deutschland die Meinungs- und Versammlungsfreiheit stirbt. Wir sehen ein Häuflein Menschen, die sich dagegen auflehnen und viele Tausende die glauben es würde ausreichen „gefällt mir“ bei facebook zu klicken.

Virtuelle Unterstützung für echten Protest auf der Straße ist schön, aber die Zeiten in denen dies ausreicht sind nun endgültig vorbei. Dies sollte jedem klar sein. Die Konsequenzen dessen auch.

Am Freitag dem 26. August 2011 um 12 Uhr früh soll das Camp am Alexanderplatz geräumt werden. Nach allen Beschneidungen der Versammlungsfreiheit ist das Camp zu einem kleinen aber wichtigen Symbol für die Protestbewegung der Empörten geworden. Jeder der auch empört ist, sollte es als seine Pflicht begreifen dieses Camp durch seine Anwesenheit friedlich zu verteidigen. Wer keine Zeit hat, soll sich diese Zeit nehmen und wer sonst schon so viel tut, tut diesmal eben etwas mehr.

Um 17 Uhr des gleichen Tages findet außerdem ein Zeltmarsch vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz statt. The Zeltmarsch will not be televisted!

3 Kommentare

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3 Antworten zu “Gastartikel von Florian Hauschild: Mythos Demokratie

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  2. Roland

    Auch wenn ich die Sorge des Autors um die Versammlungsfreiheit nachvollziehen kann und die Polizeigewalt bei Räumung des Camps sehr undemokratisch war, dürfen die Problem mit der Querfront von Rechts bei dem aCAMPada Berlin nicht verschleiert werden.

    Auf Reflexion.blogsport.de ist zwar ein sehr einseitiger Blogbeitrag zum Camp in Berlin, aber dennoch kann ich die Kritik an der so genannten „Echte Demokratie jetzt“-Bewegung in Deutschland aus eigener Erfahrung so bestätigen: antisemitische Verschwörungstheorien, Antiamerikanismus, Esoterik, Naivität und Nationalismus sowie mangelnde Abgrenzung nach Rechts: http://reflexion.blogsport.de/2011/08/27/das-zeltlager-auf-dem-alexanderplatz/

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