Anspruch und Wirklichkeit: Vom Umgang mit den NSU-Opfern

7.3.2012 – Am 23. Februar 2012 fand im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin die zentrale Trauerfeier für die Opfer der Zwickauer Terrorzelle statt. Mit der Veranstaltung sollten die Angehörigen um Verzeihung gebeten werden und einen würdigen Rahmen zum Abschied und zur Trauer erhalten. Angela Merkel leitete die Veranstaltung als Ersatz für den zurückgetretenen Christian Wulff. Ihre Ansprache wurde als einfühlsam beschrieben und allgemein gelobt.

Einige Details der Trauerfeier, wie auch das Verhalten von Politikern, Medien, Behörden und Gerichten im Anschluss an die Veranstaltung, lassen die Ernsthaftigkeit des um Verzeihung Bittens allerdings sehr zweifelhaft erscheinen.

Wir vergessen zu schnell

Wir vergessen zu schnell„, sagte Angela Merkel in ihrer Ansprache: „Wir verdrängen, was mitten unter uns geschieht.“ Insgesamt zwölf Kerzen symbolisieren auf einem Podest die zehn Opfer der NSU. Die elfte Kerze soll an weitere, bekannte wie unbekannte Opfer rechter Gewalt erinnern. Die zwölfte Kerze steht für die gemeinsame Hoffnung und Zuversicht in eine gute Zukunft.

Kurzfristig war die Kanzlerin eingesprungen, nachdem Christian Wulff durch seinen Rücktritt nicht mehr zur Verfügung stand. Horst Seehofer, der den Bundespräsidenten bis zur Neuwahl am 18. März offiziell vertritt, wollte wohl niemand darum bitten, die Hauptansprache zu halten, nachdem er im vergangenen Jahr noch geprahlt hatte, er werde unerwünschte Einwanderung „bis zur letzten Patrone“ bekämpfen.

Joachim Gauck hätte ebenfalls zur Verfügung gestanden und nahm als Gast an der Trauerfeier teil. Eine aktive Mitwirkung hätte aber insofern irritierend wirken können, als dass sich der designierte Präsident noch vor wenigen Wochen kritisch über eine zentrale Gedenkfeier für die Opfer der Zwickauer Terrorzelle geäußert hatte. Abgesehen davon hatte Gauck am 10. Oktober 2010 im TV-Kanal der Neuen Züricher Zeitung sein Verständnis für das „tiefe Unbehagen alteingesessener Europäer“ gegenüber Muslimen zum Ausdruck gebracht und in diesem Zusammenhang auch von „Überfremdung“ gesprochen.

So übernahm Angela Merkel die Aufgabe der zentralen Rednerin und selbst ihre Kritiker wussten anzuerkennen, dass sie Christian Wulff angemessen und würdig vertrat. Schwer dürfte es der Kanzlerin allerdings gefallen sein, die „elfte Kerze“ anzusprechen, die an weitere, bekannte und unbekannte Opfer rechter Gewalt erinnern sollte.

Bis heute hat die Bundesregierung ihre offiziellen Zahlen zu den Todesopfern rechter Anschläge in Deutschland nicht korrigiert. Sie geht nach wie vor von 47 Opfern in der Zeit zwischen 1990 und 2010 aus, während unabhängige Untersuchungen, Ermittlungen und Recherchen die Zahl der Todesopfer in dieser Zeit auf 150 und mehr beziffern. Die zentrale Gedenkfeier hätte für Angela Merkel einen angemessenen Anlass geboten, die bisherige Annahme offiziell zu korrigieren und der „elften Kerze“ damit tatsächlich einen Sinn zu geben.

Die Ansprache von Ismail Yozgat

Besonders bewegt zeigten sich viele Teilnehmer und Zuschauer von der Ansprache des Ismail Yozgat, dem Vater von Halit Yozgat, der am 6. April 2006 im Alter von 21 Jahren von der NSU in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wurde und dort in den Armen seines Vaters starb.

Die auf türkisch gehaltene Rede wurde während der Veranstaltung von einer Dolmetscherin übersetzt. Diese Übersetzung wurde anschließend von vielen Zeitungen abgedruckt oder in Auszügen zitiert.

Als Gastkolumnistin der Frankfurter Rundschau hat die Journalistin Mely Kiyak in einem Kommentar vom 25. Februar 2012 darauf aufmerksam gemacht, dass die offizielle Übersetzung zahlreiche Fehler enthält. Von daher legte sie dort eine überarbeitete Übersetzung der Rede von Ismail Yozgat vor.

In der Version der offiziellen Dolmetscherin beginnt Yozgat seine Ansprache damit, die „Exzellenzen“ und „vor allen Dingen unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel“ zu begrüßen.

In Wirklichkeit beginnt die Ansprache jedoch mit dem Ausspruch „Bismillahi r-rahmani r-ahimi“, der übersetzt bedeutet: „Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen“. Von „Exzellenzen“ spricht Ismail Yozgat in der Folge ebenso wenig, wie er Angela Merkel namentlich erwähnt oder sie besonders hervorhebt. Stattdessen heißt es in seiner Begrüßung ganz schlicht:

„Lieber Präsident, liebe Bundeskanzlerin, liebe Gäste, ich grüße Sie alle in Respekt.“

Im weiteren Verlauf übersetzt die offizielle Dolmetscherin den Redner damit, dass er sich herzlich bei seiner „Heimatstadt Baunatal“ bedanken möchte. Stattdessen dankt Herr Yozgat „all jenen Menschen aus Kassel-Baunatal und Umgebung“ und spricht in diesem Zusammenhang nicht von seiner „Heimatstadt“.

Nun schildert Ismail Yozgat, wie er durch Barbara John per Brief das Angebot einer Zahlung in Höhe von 10.000 Euro erhielt. In der Version der Dolmetscherin bedankt sich der Redner zweimal „herzlich“ für das Angebot, lehnt es ab und bittet stattdessen um „seelischen Beistand“.

Ein Blick in die tatsächliche Rede zeigt, dass Herr Yozgat das Entschädigungsangebot nur kurz erwähnt und erklärt, seine Familie wolle dies nicht annehmen. Die Bitte nach „seelischen Beistand“ entstammt ebenso der Fantasie der Dolmetscherin, wie die zweifache Dankesbekundung für die Entschädigungssumme. Ismail Yozgat hat beides nie gesagt.

Der Redner äußert insgesamt drei Wünsche. Er will, dass die Mörder und ihre Helfer gefangen werden. Er wünscht sich, dass die Holländer Straße in Kassel nach seinem Sohn Halit benannt wird und er möchte, dass im Namen der Ermordeten eine Stiftung für Krebskranke gegründet wird.

Vor allem in Bezug auf den ersten Wunsch folgt die offizielle Dolmetscherin wiederum nicht dem Wortlaut der Rede. Sie übersetzt hier „Und unser Vertrauen in die deutsche Justiz ist groß“, während Ismail Yozgat in Wirklichkeit sagte:

„Mein Vertrauen in die deutsche Justiz war immer vorhanden, von nun an, so hoffe ich, wird es vollkommen sein, Insallah, so Gott will“

Man mag sich darüber streiten, wie wesentlich die einzelnen Übersetzungsfehler sind. Allerdings ist es eine Frage des Respekts, dem Vater eines der Opfer, derer bei der Veranstaltung gedacht wurde, keine Worte in den Mund zu legen, die er nie gesagt hat und im Gegenzug wichtige Bestandteile seiner Ansprache einfach wegzulassen.

Anspruch und Wirklichkeit

Mittlerweile hat sich die CDU Fraktion in Kassel dagegen ausgesprochen, dass die Holländer Straße nach Halit Yozgat benannt werden soll. Ein Umbenennungsverfahren provoziere auch Widersprüche und könne langwierig und unwürdig werden. In Kassel scheinen konservative Politiker den berechtigten Wunsch des Vaters von Halit Yozgat demnach nicht wichtig genug zu nehmen, um für dessen Erfüllung auch nur den geringsten bürokratischen Aufwand auf sich zu nehmen.

Handelt es sich hierbei um ein Symbol dafür, wie Politik, Behörden und Gerichte in Deutschland tatsächlich mit rechtem Terror und seinen Folgen umgehen? Ist es nicht billig, im Rahmen einer offiziellen Gedenkveranstaltung salbungsvolle Worte zu finden und ergreifende Symbole zu präsentieren, wenn sich im Alltag gar nichts ändert? Die folgenden Beispiele sollen den auffälligen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit in unserem Land zeigen:

Nazi-Aufmarsch in Pforzheim

Noch am Abend der Gedenkveranstaltung versammelten sich in Pforzheim 130 Nazis, um, ausgerüstet mit lodernden Fackeln, an den „Völkermord“ der Alliierten an den Bewohnern Pforzheims vor 67 Jahren zu erinnern. Am 20. Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht in Karlsruhe zu Gunsten einer rechtsextremen Organisation entschieden, der die Stadtverwaltung das Mitführen von Fackeln bei ihrem geplanten Aufmarsch verboten hatte.

In der Begründung des Gerichts hieß es, das Mitführen von Fackeln verstoße nur dann gegen die öffentliche Ordnung, wenn Fackeln als „typische Symbole der Darstellung nationalsozialistischer Machtausübung in aggressiv-kämpferischer Weise” eingesetzt würden.

Vor dem Hintergrund unserer Geschichte gehört schon eine ganze Menge Ignoranz dazu, einen Aufzug von 130 schwarz gekleideten Nazis, die mit Springerstiefeln durch die Stadt marschieren und dabei lodernde Fackeln schwenken, nicht als „Symbol nationalsozialistischer Machtausübung“ zu betrachten. Den Aufmarsch in dieser martialischen Form ausgerechnet für den Abend der zentralen Gedenkveranstaltung für die NSU Opfer zu genehmigen, hinterlässt wohl jeden Beobachter sprach- und fassungslos.

Rassistischer Kalender der Polizeigewerkschaft

Am 29. Februar gelangte ein Kalender des bayerischen Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft in die Öffentlichkeit. Insgesamt 3.000 Exemplare des Druckwerkes sollen sich im Umlauf befinden. Gezeigt werden hier Karikaturen aus dem „Polizeialltag“, mit eindeutig rassistischen Bezügen.

Für den Monat März ist hier ein grade verhafteter schwarzer Mensch im Polizeigriff zu sehen, der sich mit den Worten „… was heiß’ hie’ Ve’dunklungsgefah’….?!“ zur Wehr setzt. Das Januar-Blatt des Kalenders zeigt die „Heiligen Drei Könige“. Hier ist es wiederum ein schwarzer Mensch, der hinter zwei Polizisten kniet und Kamel-Exkremente aufheben muss. Hierzu der Text: „… die Grünanlagenverordnung gilt auch für Weise aus dem Morgenland“. Ein anderes Blatt zeigt junge, sich prügelnde Männer, offensichtlich mit ausländischen Wurzeln. Einer von ihnen sagt angesichts eines „Polizei-Transformers“ in der Szenerie: „Boah… krass… 3ern BMW…!

Man stelle sich vor, wie es einem Menschen zumute ist, der sich, ob freiwillig oder erzwungen, in einer Polizeidienststelle aufhält und dort eine Karikatur erblicken muss, die ihn selber auf rassistische Weise diffamiert. Wie soll er sich den Beamten vertrauensvoll zuwenden, wenn er den Eindruck gewinnen muss, dort massiven Vorurteilen ausgesetzt und der Lächerlichkeit preisgegeben zu sein.

Studie über junge Muslime in Deutschland

Ebenfalls am 29. Februar veröffentlicht die BILD-Zeitung vorab und exklusiv Ausschnitte aus dem Abschlussbericht eines Forschungsprojektes des Bundesinnenministeriums. Der Titel der Studie: „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“. Hierbei handelt es sich um eine komplexe Langzeituntersuchung, die sich rein qualitativ mit der Frage beschäftigt, welche Kriterien sich empirisch begründen lassen, um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können.

Die BILD-Zeitung bezeichnet die Untersuchung als „Schock-Studie“, greift einen Teilaspekt heraus, deutet ihn sinnentfremdend um missbraucht ihn zur populistischen Hetze gegen Muslime in Deutschland. Hier heißt es plötzlich, dass 20 Prozent aller Muslime in Deutschland eine Integration ablehnen und dass jeder vierte Muslim ohne deutschen Pass tendenziell gewaltbereit ist.

Erst am Tag darauf veröffentlicht das Bundesinnenministerium die vollständige Studie im Internet. Zuvor haben bereits Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Innenpolitiker Hans-Peter Uhl (CSU), der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gegenüber der Bildzeitung islamkritische und beleidigende Statements abgegeben, während Thilo Sarrazin öffentlich jubiliert, dass seine Thesen endlich von einer wissenschaftlichen Studie bestätigt werden.

Der tatsächliche Abschlussbericht des Forschungsprojektes besagt vor allem, dass „gruppenbezogene Diskriminierung“ eine wesentliche Ursache für fehlende Integrationsbereitschaft bildet und stellt darüber hinaus fest, dass der Anteil „radikaler Fundamentalisten und Rechtfertiger ideologisch fundierter Gewalt ohne Integrationsneigung“ unter den jungen Muslimen in Deutschland ausgesprochen gering ist.

Ein Nebenaspekt der Untersuchung kommt übrigens zu dem Schluss, dass Muslime, die nach dem Erscheinen des Buches von Thilo Sarrazin interviewt wurden, mehr Vorurteile und eine größere Ablehnung gegenüber Deutschland und dem Westen an den Tag legten als jene, die zuvor befragt wurden.

Der erste Kommentar von Innenminister Hans-Peter Friedrich zu dem Forschungsprojekt, ebenfalls exklusiv in der BILD-Zeitung veröffentlicht, lautet erwartungsgemäß:

„Wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten.“

Es versteht sich wohl von selber, dass Friedrich hiermit nicht die Übertragung bayerischer Verhältnisse, Kultur und religiöser Vorstellungen auf den Rest der Republik meint, sondern allen Ernstes von Muslimen in Deutschland spricht.

Eine furchtbare Fehlbesetzung

Alle dargestellten Vorgänge haben sich unmittelbar vor oder nach der zentralen Gedenkfeier für die NSU Opfer am 23. Februar 2012 abgespielt. Die CDU-Fraktion in Kassel lehnt die Umbenennung der Straße zu Ehren des ermordeten Halit Yozgat ab. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe genehmigt einen Fackelaufmarsch von Nazis in Pforzheim. Die Deutsche Polizeigewerkschaft unterhält ihre bayerischen Mitglieder mit rassistischen Karikaturen und der Innenminister lässt es zu, dass die BILD-Zeitung ein Forschungsprojekt seines Ministeriums zur Hetze auf Muslime missbraucht, an der er sich, gemeinsam mit seinen Partei-Kameraden, auch noch ausgiebig beteiligt.

Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Verhältnisse in unserem Land ist die zentrale Gedenkfeier nichts anderes, als eine publikumswirksame Farce und eine Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehörigen. Die Kanzlerin beklagt, wir würden „zu schnell verdrängen, was unter uns geschieht“. Um etwas „verdrängen“ zu können, müsste man es zunächst jedoch wahrnehmen. Politik, Medien und Behörden wollen allerdings gar nicht erst bemerken, wie es in Bezug auf Rechtsextremismus, Alltagsrassismus und schleichenden Faschismus tatsächlich um unsere Land bestellt ist. Sie sind entweder selber zu tief in Strukturen verstrickt, die dem braunen Pack Vorschub leisten oder zu sehr damit beschäftigt, sich auf künftige Wahlergebnisse und eigene Karriereschritte zu konzentrieren.

Die verantwortlichen Akteure des Staates genieren sich nicht einmal, den Angehörigen der NSU Opfer feierlich zu versprechen, dass sich Vergleichbares nicht wiederholen wird. Dieses Versprechen ist den Atem nicht wert, mit dem es gesprochen wird, solange sich nichts an den eigentlichen Ursachen für Diskriminierung, Ausgrenzung oder Fremdenfeindlichkeit ändert und solange der Rassismus in der Gesellschaft mit einem „Augenzwinkern“ betrachtet wird.

Es sind vor allem Politiker der CSU, die durch populistische Äußerungen und offene Hetze gegen jeden, der nicht in ihr überkommenes „Leitbild“ passt, rassistische Positionen in Deutschland immer wieder „salonfähig“ machen. Einer von ihnen ist als Innenminister gleichzeitig der oberste Hüter der Verfassung. Eine furchtbare Fehlbesetzung.

34 Kommentare

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34 Antworten zu “Anspruch und Wirklichkeit: Vom Umgang mit den NSU-Opfern

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  2. Ekrem Eckehard

    Die Staatsform wurde 1945 in Deutschland geändert, die Gesinnung ist weitgehend unverändert geblieben!

  3. Christiane Feist

    In Kassel gibt es keine Holländer Straße: die Straße heißt Holländische Straße. Es ist eine stark befahrene Hauptstraße, die von der Uni Richtung Norden aus der Stadt herausführt.
    Rund um die Holländische Straße wohnen viele Migranten, deshalb wird die Gegend nördlich der Uni von einigen Kasseler Einwohnern gern mal als „Klein-Ankara“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund erhielte eine Umbenennung dieser Straße eine politische Aussagekraft, die vermutlich weder von Stadt- noch Landesregierung erwünscht ist.

  4. Mein Vertrauen in die deutsche Justiz und die deutsche Politik ist leider nicht so groß wie das von Ismail Yozgat. Ich befürchte es wird weiterhin keine befriedigenden Antworten auf folgende Fragen geben:

    Führte der hessische Verfassungsschützer Andreas T., der sich zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am Tatort aufhielt, tatsächlich einen V-Mann mit Kontakten zum „Thüringer Heimatschutz“ ?

    Warum wurde Andreas T., ein V-Mann Führer, dem eine rechte Gesinnung nachgesagt wird (“Klein-Adolf”), der NS-Devotionalien sammelte, gegen das Waffengesetz verstieß und äußerst widersprüchliche Angaben zu seinem Aufenthalt im Kasseler Internet Cafe machte, ins Regierungspräsidium Kassel versetzt ?

    Der Suizid von Böhnhardt und Mundlos:Was geschah am 4.11.in Eisenach ?

  5. Ich fürchte, daß mit dieser scheinheiligen Veranstaltung vor allem ein Schlußstrich gezogen wurde. Bislang ist jedenfalls keinerlei Engagement gegen rechte Strukturen zu spüren, im Gegenteil: es wird fröhlich gegen Linke und Migranten gehetzt, auch und gerade von Seiten der CDU. Die angesprochenen Vorfälle sind nicht die einzigen: im Prozeß gegen die Mörder von Oury Jalloh wollte die Richterin am Landgericht Magdeburg den Prozeß gegen Zahlung einer Strafe sogar einstellen, was allerdings nicht geschehen wird, da sowohl Staatsanwaltschaft als auch die Nebenkläger nicht bereit sind, dieses hinzunehmen. In Frankfurt wurde das Ermittlungsverfahren im Fall Christy Schwundeck eingestellt.
    Weiterhin: ist die sogenannte „NSU“ in irgendeiner Weise Gesprächsthema der Medien oder der Politik? Hört man noch irgendetwas zu den Vorfällen oder der unsäglichen Rolle von Polizei und VS in dieser Angelegenheit?
    Da sitzen von Lobbyisten bezahlte Faschisten und Rassisten der übelsten Art in Berlin und ziehen ihr Spielchen durch, bluten ganze Länder aus, treffen sich mit den fiesesten Dikatoren, die man sich vorstellen kann, unterdrücken Grundrechte, wo immer es ihnen passt, und die große Mehrheit im Land spielt fröhlich mit. In den Bundesländern sieht es kein bischen besser aus, aber all das stört fast niemanden. Deutschland ist wieder da, wo es seit seiner Gründung 1871 immer wieder landete: im Größenwahn und Faschismus, in der Hand von Gaunern und Verbrechern, denen für ihr Handeln Beifall gezollt wird.
    Der Schoß ist und bleibt furchtbar fruchtbar. Ich kann garnicht fressen, was ich kotzen wollte…
    Carl

    • Historix

      Dem ist nur noch eines hinzuzufügen:
      Wer die Möglichkeit hat, dieses Land zu verlassen, sollte dieses auch tun.
      Ich habe sie leider nicht…

      • K.S.

        Das wird Dir nicht helfen, denn die Strukturen sind oder werden in ganz Europa ähnlich sein. Ich bin in 2004 von Deutschland in die Niederlande gegangen. Hatte die Nase so voll von hier.
        Holland war schön, die Menschen ganz anders, lockerer und auch ich als Deutsche wurde gut und freundlich aufgenommen, auch an meinem Arbeitsplatz.
        Aber an jedem Befreiungstrag hätte ich heulen und mich verstecken können, ob der schrecklichen Taten, unter denen die HolländerInnen auch gelitten haben.
        Bis 2010 hatte sich das Klima in Holland sehr verändert, auch gegen Einheimische aus den ehemaligen Kolonien und ich wurde von einem Nachbarn als Frau Obersturmbannführerin beschimpft. Das war die Zeit für mich zu gehen und mich hier in Deutschland zu engagieren, aber auch meine Kinder und Enkelkinder wüschten mich „dichter bei“, wie man in Holland sagt.

      • Statistiker

        nennen Sie mir einen Grund, warum NICHT. Bis dato haben Sie gelogen!

  6. Bernie

    Danke für den erneuten vorzüglichen Text – Tja, die CDU/CSU/FDP könnte sich ein ganz großes Stück von anderen Parteien abschneiden was „Vergangenheitsbewältigung“ angeht, und von denen lernen, aber leider wird wieder agiert nach dem Motto „Augen zu, und durch…“ – Ich halte es mit der Politik – nicht nur bei CDU/CSU/FDP – nach dem altbekannten Spruch „Nicht an ihren Worten sollt ihr sie messen sondern an ihren Taten“, und die sprechen Bände gegen Merkel, Westerwelle, Friedrich, Rösler und Konsorten – die Taten…..

    Trauriger Gruß
    Bernie

    • K.S.

      Hallo, Bernie, stimme wie immer zu. Weisst Du, woher das Zitat kommt, welches Du zitierst ? Aus der Bibel. Da wird Jesus von seinen Jüngern gefragt, wie sie Menschen erkennen können, ob sie es ehrlich meinen, die so tun als ob. Daraufhin gibt Jesus ihnen diese Antwort, dass wir sie an den Taten erkennen können.
      Auch damals war das schon ein Thema.

  7. Hartmut

    Danke JJ für Deinen vortrefflichen Artikel !

    Es offenbahrt sich immer häufiger, daß das nationalsozialistische Gedankengut in keiner Weise nach 1945 aufgearbeitet wurde. Nach einer Ruhephase von ca. 30 Jahren begann es wieder zu keimen. Heute ist die Saat schon sehr weit fortgeschritten…. Ich bin entsetzt.
    Das Wesentliche der nationalsozialistischen Ideologie ist dasTöten. Und darauf läuft alles wieder hinaus.

    Hartmut

  8. fischi

    Die Betroffenen müssen irgendwie die Besseren Staatsbürger wie ich sein.
    Ich hätte das glatt abgelehnt an der Propagandaveranstaltung teilzunehmen.

  9. Manfred Peters

    An anderer Stelle geht die CDU und rechtslastige Verbündete mit dem Thema Straßenumbenennung ganz anders um. In Rostock starte sie inzwischen den zweiten Versuch die die Ilja-Ehrenburg-Straße umzubenennen. Die Lokalpresse veröffentlicht dazu Leserbriefe, die den eigenen Regeln widersprechen und einen verurteilten Haupt-Nazikriegsverbrecher unter dem Deckmantel der politischen Diskussion verharmlost.
    Zitat: „Daß man in Deutschland eine Straße nach einem der ärgsten Deutschenhasser benennt, ist leider wahr. Streicher hat die Juden zwar in grober Weise verächtlich gemacht, hat aber – im Gegensatz zu Ehrenburg – nicht zu Mord und Vergewaltigung aufgerufen.
    Eine Drohung darf dann im LB auch nicht fehlen „Denn wie man in den Wald hineinruft, so klingt es zurück.“
    Der gesellschaftliche Widerspruch hält sich bisher in Grenzen.

    • gerrit

      nun ich halte weder von Ehrenburg noch von schleicher sonderlich viel, beide Namen haben nichts auf einem Straßenschild zu suchen…

      • Manfred Peters

        „… Zuletzt fand der Ehrenburg-Exorzismus in den 1960ern in Westdeutschland statt. Nun wird er wiederbelebt. Man wartet auf die Zeremonienleitung durch den neuerdings berühmtesten Ex-Rostocker. Es wäre in etwa seine Kragenweite.“
        Hast Du vielleicht in den 60igern Dein Weltbild gefestigt?
        Wenn Du aber noch fähig und bereit bist dieses in Hinsicht auf Ehrenburg ein wenig in Frage zu stellen, könnte ich diesen Lesestoff anbieten: Ehrenburg und die Exorzisten
        Übrigens, der berühmte Ex-Rostocker soll nun auch gegen den Willen der Mehrheit der Rostocker Bürger zum Ehrenbürger ernannt werden!

  10. Dass dies eine Alibiveranstaltung werden würde, war mir gleich zu Beginn klar, die theatralische Feierlichkeit, die Beleuchtung, die dem Ganzen einen Anstrich von Mystizismus gab, und dann die Rede der Kanzlerin. Dieser Frau habe ich kein einziges Wort abgenommen, sie hat einfach zu schön, zu glatt gesprochen – und das in einer Situation, die für Deutschland zutiefst beschämend war. Ich habe mich dann ausgeklinkt, ich wollte nicht noch Zuschauerin einer derartigen demagogischen Heuchelei sein. Die Folgeereignisse, wie Sie sie aufzeigen, bestärkten mich in meiner Auffassung, dass die Veranstaltung dem einzigen Zweck gedient hatte, einen Schlusstrich unter die öffentlichen Diskussionen um die NSU zu ziehen, dass sie eben nicht der ernstgemeinte Auftakt einer gründlichen Untersuchung
    war, sondern das Ende eines lediglich den deutschen Staat beschämenden Vorgangs, der sich mit dieser Veranstaltung reinwaschen wollte. Wie beschämend, wie kleinherzig das Ganze angegangen wurde, zeigt sich auch darin, dass man die Übersetzung der Rede von Herrn Izgat so hinbog, dass sie auch der letzte CSUler noch ohne Zwischenrufe über sich ergehen lassen konnte. Was für ein Vorgang! Das erinnert nicht nur an die verlogene Übersetzung von Ahmadinedschad in der UNO,
    falsche Übersetzungen haben Methode in der „Neuen Weltordnung“.

  11. Peter Petereit

    Gestern habe ich „Wenzel“ besucht. In der Güstrower Bibliothek. Von „Menschlichkeit“ fiel kein Wort. Sie war einfach da, in seinen Liedern und Geschichten. Hätte dem Ismail Yozgat wohl auch gefallen…

  12. Historix

    Mit meiner Antwort auf den Kommentar von »Carl« bin ich wohl falsch verstanden worden.
    Ich bezog mich eigentlich auf jene Menschen, die nach 1933 das Land verlassen haben, weil sie diesem installierten Unrechtsregime nicht zustimmen und dieses auch nicht mittragen wollten. Die immer stäker und unverhohlener zu Tage tretende Rechtslastigkeit in der Bundesrepublik wäre für mich DER Grund, diesem Land den Rücken zu kehren -wenn ich die Möglichkeit dazu hätte.
    So war das gemeint…

  13. altautonomer

    Bernie 07.03.2012, 21.:20 Uhr: „Tja, die CDU/CSU/FDP könnte sich ein ganz großes Stück von anderen Parteien abschneiden was “Vergangenheitsbewältigung” angeht, und von denen lernen,…..“ Häää?

    Münster am Samstag, 03.03.2012 (taz)
    “Den Neonazis wurden die Straßen freigeräumt: Vor ihrer Kundgebung ließ der Grüne (!!! – AA) einen Räumpanzer und zwei Wasserwerfer auffahren – und die richteten ihre Kanonen nur auf die Gegendemonstranten, nicht auf die Rechtsextremen.

    Völlig inakzeptabel ist die Polizeigewalt, die das Bündnis „Keinen Meter“ beklagt: Mit Knüppeln und Pfefferspray, Hunden und zu Pferd seien Polizisten auch auf alte Menschen losgegangen. Trauriger Höhepunkt: Ein Gegendemonstrant, der nach Polizeiangaben Flaschen auf ihre Beamten geworfen haben soll, wurde bei seiner Festnahme so zusammengeprügelt, dass er bewusstlos auf die Intensivstation eingeliefert werden musste. Selbst vor Bundestagsabgeordneten zeigte die Polizei keinerlei Respekt: Ingrid Remmers, Parlamentarierin der Linkspartei, wurde wegen des Vorwurfs, nach einer Polizistin geschlagen zu haben, aufs Polizeipräsidium gebracht – und musste sich dort nackt ausziehen.”

    Verantwortlicher Polizeipräsident in Münster ist Hubert Wimber, Bündnis90/Die Grünen.

  14. Heinrich

    Wenn Ihr Deutschland nicht mögt, geht doch wo anders hin.
    Wegen solchen wie Euch geht es in der Bananenrep. drunter und drüber.

    • klaus bier

      Heinrich, meint alle anders denkenden die in seiner beschränkten Wahrnehmung nicht vorkommen……..er ist wahrscheinlich ein strammer deutscher junge der sich dem Wohle des Reiches verpflichtet fühlt……..

    • Michael Morawietz

      @Heinrich
      Hi Heinrich,
      ich habe gerade in den letzten Tagen erst wieder einmal die Erfahrung machen müssen, dass es mir wesentlich leichter fällt, einen Haufen Dünnschiss von mir zu geben, als gut verdautes Material . Aber ich bin darauf nicht stolz.

      Worauf bist Du nicht stolz?

  15. altautonomer

    Heinrich: Wer ist gemeint? Die Nazis? Die scheinheiligen Politiker? Prügel- Polizisten? Die Grünen Radikalopportunisten? Carl (oben)?

    Und wohin sollte man emigrieren? Takatukaland, Legoland, Lummerland?

  16. K.S.

    Wieder ein guter Artikel von Jakob, den ich allerdings zu lang finde.
    Mich empört die Dolmetscherin, die einen Diebstahl begeht an der Lebenswirklichkeit gläubiger Muslime und ich behaupte, dass die originale Übersetzung nicht in ihr Weltbild von Muslimen passte und sie diese originale Gott-Allah-Gläubigkeit mit Absicht für die Öffentlichkeit anders übersetzt hat.

    Denn es kann und darf nicht sein, dass ein Moslem eine Trauerrede, die in aller Welt gehört wird, in deutschen Landen mit christlich-jüdischer Leitkultur – auch noch von einem einfachen Laien mit den Worten beginnt: „Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen“.
    So etwas geht in Deutschland nicht. So dürfen nur die Pfarrer reden.
    Gleiches gilt für die Anrede. Wer hat schon mal gehört, dass ein deutscher Politiker sagt: „Ich grüße Sie alle in Respekt“.
    Ebenso die Aussage über das Vertrauen in die deutsche Justiz zeigt eindeutig einen zutiefst sich auf Gott, den Allerbarmer, verlassenden Menschen, der sagt: „So Gott will“.

    Mit dieser fatalen, falschen Übersetzung wurde das gewünschte Vorurteil bedient, bei den Muslimen handele es sich um radikale Islamisten, die beobachtet werden müssen, sich nicht integrieren wollen etc.

    Und weil das so ist, dass mit Absicht immer wieder falsche Bilder entworfen werden, wundert der Rest des Artikels nicht. Muslimfeindlichkeit ist erwünscht, denn sie sind keine Christen. Es sind Menschen, die bekehrt werden müssen.

    Mein Güte, beide Kirchen haben letztlich – vor einem oder zwei Jahren wieder zur Mission aufgerufen.
    Dann dieser Gauck, von dem gestern bei Anne Will ein alter Jurist und SPD Mitglied gegenüber Herrn Butterwegge böse erklärte, dass dieser wenigstens „einen Draht zum lieben Gott hätte“, der den Linken ja fehle.

    Gut. Ich will mich nicht aufregen. Danke Jakob für dieses Blog, in dem gute Öffentlichkeitsarbeit gemacht und aufgeklärt wird. So kommt im Schneeballsystem doch jede Lüge ans Licht.

    • Den Einwand mit der Länge kann ich gut nachvollziehen. Dabei habe ich sogar noch gekürzt und dennoch war es einfach ein zu komplexes Thema. Danke fürs „Durchbeißen“ 😀

  17. nobs

    Report Mainz hat ermittelt, daß gegen hochrangige NPD-Funktionäre in den letzten Jahren in ca. 120 Fällen wegen Körperverletzung, Raub, Erpressung, Waffenbesitz ermittelt wurde. Diese Zahlen zusammenzustellen, waren offenbar der gesamte Polizeiapparat nicht in der Lage.

  18. nobs

    Korrektur: in den letzten zehn Jahren in ca. 120 Fällen wegen Körperverletzung, Raub, Erpressung, Waffenbesitz ermittelt wurde, muß es heißen.

  19. „Eine furchtbare Fehlbesetzung.“?
    Ich fürchte, da soll der rechte Rand der Wählerschaft bedient werden!

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